Nach dem klassischen Pilsner - zumindest hieß es so - probiere ich es mal mit dem Stuttgarter Hofbräu Herren Pils, welches in einer 0,33-Liter-NRW-Flasche auftritt. Herb-frisch soll es sein. Genannt werden 4,8 vol. % Alkohol (39 kcal/100 ml) und damit minimal weniger als beim Pilsner. Optisch ist es aber allemal mit dem Nebenbuhler vergleichbar: Blank filtriert, gelbgold, kompakte Schaumhaube. Der unauffällige Duft bietet eine Idee mehr Hopfenaroma in Form von blumig-beerigen Noten. Es gibt aber deutlich aromatischere Pilsner...

Durchaus rezent und malzig legt das Herren Pils los, wartet aber nicht erst Ewigkeiten für den ersten Hopfenimpuls. Grasige, beerige Noten mit dezenter Harzigkeit zeichnen hier den Hopfen aus, der auf süßlichem Malzbett mit feiner Bittere überzeugen möchte. Für ein Pils könnte es gern noch schlanker sein, aber immerhin hat hier der Hopfen endlich mal - bei ordentlicher Qualität - ein Wörtchen mitzureden. Für ein Pils gerät der Körper nämlich ziemlich vollmundig. Die versprochene Frische ist immerhin trotzdem mit dabei. Die Süße empfinde ich allerdings schon beinahe mastig, auch hier muss ich diesen Makel attestieren. Feinherb mit moderater Bittere, grasig-kräuterig und ausgewogen endet das Herren Pils nicht viel anders, wie ich mir ein gutes, durchschnittliches Pils vorstelle. Anmerken muss ich dennoch die Malzsüße, die zudem eine gewisse Klebrigkeit hinterlässt. Wenigstens stört hier aber keine Säure...

Aus meiner Sicht ist das Herren Pils klar der bessere, stimmigere Versuch in Stuttgart, ein adäquates Pils zu brauen. Nichts, was zum Fürchten wäre, aber andererseits auch nichts für eine Empfehlung. Wenn das Fundament nicht stimmt, kann der Hopfen (den ich hier überzeugend finde) auch nicht mehr viel ausrichten. Ein ernsthaftes Herrenpils ist das somit nicht, da fehlt die Knackigkeit und Würze, während noch zu viel Süße im Spiel ist. Zumindest ist das Herren Pils aber keine volle Enttäuschung...

Ich kann es kaum glauben, dass ein im Südwesten so weit verbreitetes Bier nur zwei karge Textbewertungen hier aufweisen kann. Also. Vom Fass genossen schmeckt es so:

Schaum: fein- bis mittelporig und schön stabil
Farbe: strohgelb, glanzfein
Geruch: durstanregend hopfenwürzig

Geschmack:
Der Antrunk verbindet sehr gut eine spürbare, mild-getreidige Malzbasis mit sofort präsenten Hopfenaromen, alsda wären grasige, mild-pfeffrige, Kräuter-, Zitrus- und Apfelanklänge.
Körper: pilsig schlank, allerdings weniger als die norddeutschen Artgenossen
Rezenz: genau richtig für den Biertyp; nicht übertrieben sprudelig
Im Nachtrunk bleiben die vielen Hopfenaromen lange in Gaumen und Nase. Es ist dabei markant bitter und sehr gut balanciert.

Kommentar: In zweierlei Hinsicht finde ich das Stuttgarter Herrenpils durchaus bemerkenswert. Für ein süddeutsches Pils gelingt hervorragend die Balance zwischen der milden Malzigkeit, die das schwäbische Publikum erwartet, und fast verschwenderisch verwendeten Hopfenaromen. Und für ein Großkonzernbier aus der Fertigpudding-Gruppe hat man da bei den Zutaten offenbar nicht gespart. Das lobe ich mir, liebe Stuttgarter (und Bielefelder). Und ganz allgemein gesprochen: Das ist ein Pils mit einem vielschichtigen und sehr angenehmen Hopfenbukett. Sehr schön!

Das Bier ist wunderbar süffig und angenehm und ausgewogen im Geschmack. Nicht zu bitter und auf keinen Fall malzig.

Wir Schwaben können alles, inzwischen sogar Hochdeutsch - aber in Sachen Stuttgarter Hofbräu sind wir echt ne Schande - und ich gebe das nur ungern zu :-(