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Was ist eigentlich Craftbeer?

Craft Beer ist gerade in aller Munde, wenn auch nicht immer in flüssiger Form. Während die einen den Begriff mit Verzückung jauchzen, spucken die anderen ihn missbilligend aus und empören sich ob des unerhörten Angriffes auf das deutsche Reinheitsgebot. Dabei wird der Begriff wohl von so manchem Verfechter beider Seiten missverstanden. Zeit also ein paar Irrungen und Wirrungen zu klären, die im aktuellen Disput immer wieder auftauchen. Zäumen wir dazu das Pferd einfach mal von hinten auf und sehen uns an, was Craft Beer nicht ist.

Craft Beer ist nicht IPA

IPA ist ein Bierstil, der ursprünglich aus England stammt. IPAs zeichnen sich durch eine besonders intensive Hopfung aus. In den USA hat sich eine Variante des Stils herausgebildet, die durch die Verwendung amerikanischer Hopfensorten wie Citra und Cascade vor allem mit fruchtigen Noten besticht. Nicht selten wird die Intensität dieser American IPAs noch durch sogenanntes Trockenhopfen verstärkt.

Was uns zum nächsten Punkt bringt, der in eine ähnliche Kerbe schlägt: Craft Beer zeichnet sich nicht durch eine extreme Hopfung aus.
Die Brooklyn Brewery in New York interpretiert viele klassische Bierstile neuEs stimmt, dass so manches amerikanische Bier, welches den Weg in deutsche Gefilde findet, eine wahre Hopfenbombe ist. Dennoch ist das keine zwingende Eigenschaft eines Craft Beers.
Wer seinen Blick beispielsweise zur Brooklyn Brewery schweifen lässt, findet dort mit Bieren wie dem Brooklyn Lager oder dem Local 1 Biere, die keinesfalls bis in den Himmel gehopft sind.
Im Gegenteil, schon durch ihren Stil haben diese Biere ein eher mildes Hopfenprofil. Auch wenn Garrett Oliver in seinem Buch „The Brewmasters Table“ schreibt: „Das Schlagwort bei amerikanischem Craft Beer ist mehr. Mehr Hopfen, mehr Malz, mehr Karamellgeschmack, mehr Röstgeschmack, mehr Aroma und manchmal mehr Alkohol.“ (übersetzt durch den Autor), so finden wir in diesem Satz zwei wichtige Grundlagen: Zum einen bezieht er sich nicht nur auf Hopfen, zum anderen geht es um das amerikanische Craft Beer.

Denn Craft Beer kommt nicht aus den USA. Und damit bin ich beim letzten Punkt in dieser Aufzählung. Auch wenn die Craft Beer Bewegung in den Vereinigten Staaten das Thema vor einigen Jahren in ein ganz neues Licht gerückt und mit jeder Menge Innovation und Energie aufgeladen hat, so bleibt sie doch genau das: Eine Bewegung. Zu sagen Craft Beer sei in den USA entstanden ist in ungefähr so als würde man behaupten Alice Schwarzer habe den Feminismus erfunden.

Craft Beer gibt es schon lange und überall...Doch was ist dieses ominöse Craft Beer denn nun wirklich?
Schauen wir uns erstmal den Begriff selbst an. Craft bedeutet übersetzt in ungefähr „Handwerk“, Beer… nun ja das sollte sich jeder selbst herleiten können. Es handelt sich also um „handwerklich“ oder „von Hand“ hergestelltes Bier und stellt damit einen Kontrast zur industriellen Massenware dar. Eine schöne Analogie kann man hier zum Beispiel bei Gläsern finden. Es gibt Gläser, die in großen Massen von Maschinen gepresst werden. Diese Gläser sind nicht zwangsläufig schlecht (aus den meisten kann man ganz gut trinken), ähneln sich aber oft sogar zwischen verschiedenen Herstellern.

Dann gibt es mundgeblasene Gläser, deren Aussehen vom jeweiligen Glasbläser von Glas zu Glas neu gestaltet werden kann, und die oftmals einfach einen ganz anderen Eindruck an Grazilität vermitteln als ihre industriellen Pendants. Ähnliche Beispiele kann man in vielen Bereichen finden, in denen man große Industrieproduktionen kleinen handwerklichen Betrieben gegenüberstellen kann.

Jetzt höre ich einige von euch sagen: „Doch Moment mal. BrewDog? Stone Brewing Co.? Die haben einen so großen Ausstoß, das hat doch nichts mehr mit Handwerk zu tun.“ Auch wenn sich das zunächst nach einem schlüssigen Argument anhört, basiert es auf einer falschen Annahme.
Ich habe oben bewusst „hergestellt“ geschrieben und nicht „gebraut“. Die handwerkliche Komponente findet bei der Bierherstellung nämlich nicht vordergründig im Brauprozess statt. Bier hat es an sich, dass es schnell größere technische Gerätschaften erfordert um in gewissen Mengen gebraut zu werden. Selbst zu meinen Heimbrauzeiten brauchte ich für meine ca. 20 Liter Endprodukt einen 40 Liter Kupferkessel und mehrere Fässer mit einem ähnlichen Fassungsvermögen. Das vermittelt vielleicht eine ungefähre Vorstellung der benötigten Behältnisse.
Viele Heimbrauer arbeiten heute zudem schon mit diversen Geräten für gleichmäßige Temperaturkontrolle und zum Rühren der Maische.
Will man einen größeren Ausstoß erzeugen, ist also eher eine Skalierung an dieser Stelle nötig und weniger eine drastische Änderung im Brauprozess.

Und wo kommt jetzt das Handwerk ins Spiel? Ganz einfach: Bevor ein Bier in die große Produktion geht, muss es erst einmal konzipiert werden. Es gilt (stark vereinfacht gesagt) eine Geschmacksidee für das Bier zu entwickeln und in ein Hopfen-, Hefe- und Malzprofil umzusetzen.

Das TapX Mein Nelson Sauvin von Schneider WeisseEin handwerklich gebrautes Bier unterscheidet sich dabei vor allem in dieser Idee. Hier versucht der Braumeister nämlich etwas zu schaffen was schmeckt. Und zwar nicht jedem und überall, sondern meist vor allem ihm selbst. Kein Craft Brewer würde ein Bier in Umlauf bringen, von dem er nicht selbst absolut überzeugt ist.
Um das Bier geschmacklich zu entwickeln kommen dann eben oft Minibrauanlagen und jede Menge Experimentierfreudigkeit zum Einsatz.
Das Old Brewery Pale Ale der Samuel Smith's Old Brewery in Tadcaster, EnglandOder es wird mit viel Liebe ein altes Rezept verfolgt, das sich bereits seit Jahren bewährt hat. Aber auch hier losgelöst von dem, was der Massengeschmack erwartet.
Im industriellen Bereich hingegen kann man es sich nicht leisten den Massengeschmack zu ignorieren.

Zusammengefasst kann man also sagen: Während ein große industrielle Brauerei Biere mit dem Ziel braut, eine möglichst große Konsumentenschicht zu erreichen, verfolgt eine Handwerksbrauerei das Ziel möglichst aromatisches Bier zu brauen. Wenn sich genügend Konsumenten finden, die die Biere einer Handwerksbrauerei zu schätzen wissen, kann die Brauerei dadurch durchaus stark wachsen.
Craft Brewing ist eben mehr eine geistige Grundhaltung, die Liebe zum Bier und seinen Rohstoffen beinhaltet, als ein technisch zu definierender Begriff.

In diesem Sinne sind auch Brauereien wie die Samuel Smith’s Old Brewery oder die Private Weissbierbrauerei G. Schneider & Sohn ebenfalls „Craft Breweries“, auch wenn sie sich vielleicht nie selbst so nennen würden…

Dieser Artikel wurde zuerst auf Lieblingsbier.de veröffentlicht.