Unsere Sicht auf das Thema haben wir bereits im Februar diesen Jahres angerissen. Zeit etwas ins Detail zu gehen.
Dennoch wollen wir an dieser Stelle nicht zu einer umfassenden Erklärung ansetzen, sondern vielmehr in diesem und folgenden Artikeln einzelne Aspekte beleuchten und zum Nachdenken anregen.
Zum ausführlichen Disput laden wir dann gern auf das Braukunst Live! Festival im März, auf dem wir das gesamte Thema intensiv betrachten wollen. Am liebsten im regen Austausch mit Euch!

Dazu ein klares Nein von unserer Seite.
Warum?
Weil es sich dabei um eine starre Schwarz-Weiß-Aussage für etwas handelt, das in Deutschland noch eine Grauzone mit fließenden Grenzen ist, und die gerade deshalb detaillierter betrachtet werden muss.
Schauen wir uns zunächst das schon angesprochene Handwerk an, und zwar ausnahmsweise mal nicht von der begrifflichen, sondern von der praktischen Seite:
Die gleiche handwerkliche Arbeit kann drastisch unterschiedlich ausgeführt werden.
Man kann einen Holzlöffel grob schnitzen oder ihn nach sorgsamer Holzauswahl akribisch ausarbeiten, in mehreren Durchläufen abschleifen und ölen um ein Produkt mit hoher Qualität zu erzeugen. Ist der Löffel fertig, kann man das Schnitzmesser einfach zurück in die Scheide stecken oder es sorgsam pflegen, um ein stets hochwertiges Werkzeug zu behalten.

Ein Craft Brewer hingegen achtet peinlichst genau auf den Zustand seiner Anlage, auf Reinlichkeit und gute Arbeitsbedingungen, prüft den Zustand seiner Biere mit Argusaugen (oder eher Argusnase und Argusmund), denkt über Auswahl und Aufbereitung aller seiner Rohstoffe nach (beispielsweise hat auch die Wasserzusammensetzung einen starken Einfluss auf das Ergebnis) und aromaoptimiert den Brauprozess kontinuierlich.
Kurzum, er versucht innerhalb seiner Möglichkeiten das Bier absolut hochwertig zu brauen und seine Idee genau umzusetzen. Dass dies nicht immer perfekt gelingt, da es gerade in kleineren Betrieben einige schwierige technische Hürden zu bewältigen gilt, ist weder verwunderlich noch schlimm. Das Streben nach Perfektion ist entscheidend.

Kunst kann dabei im Bier verschiedene Ausprägungen annehmen. Innovationssucht gehört sicherlich dazu. Aber jemand, der sich mit Hingabe der aromatischen Perfektion eines Lagers oder Weizens oder jeglichen anderen klassischen Stils widmet, gehört für mich ganz genauso zur Künstlergemeinschaft.
Dieser gedankliche Fokus auf das Produkt ist entscheidend. Die besten Ergebnisse erzielen diejenigen, die vor und nach getaner Arbeit mit Kopf und Herz bei ihrem Bier sind und nicht diejenigen, die jeden Tag gelangweilt ihren Sud runterreißen oder gehetzt ihr Auftragsvolumen abbrauen.
Diese beiden Punkte, künstlerisches Brauen und gewissenhafter Umgang mit dem Produkt von der Idee bis zum Genuss, sind sicher nicht die einzigen, die es in der Diskussion um Craft Beer zu beachten gilt. Sie zeigen jedoch, dass Craft Brewing zwar ein Handwerk ist, aber deshalb noch lange nicht jede kleine Handwerksbrauerei Craft Beer braut.
Wo wiederum Handwerk aufhört und Industrie anfängt und ob man die Richtlinien der amerikanischen Brewers Association auf die Sude am deutschen Markt projezieren kann ohne sie zu verwässern, ist ein anderer heiß diskutierter Punkt, den wir auch bald unter die Lupe nehmen werden.
(Bildnutzung Hopfenernte 2012 mit freundlicher Genehmigung von BraufaktuM und Fritz Wülfing)