
Dort verbirgt sich zunächst einmal das Familiendrama, die Legende hinter den beiden Brauereien, denn die Namensgleichheit kommt nicht von ungefähr. Von der Samuel-Smith-Seite wird sie wie folgt erzählt: John Smith kaufte Mitte des 18. Jahrhunderts für seinen Neffen Samuel Smith eine Brauerei. Doch nach Johns Tod übernahm Bruder William die Geschäfte mit dem Versprechen, sie bei Volljährigkeit an Samuel weiterzugeben. Das geschah auch, jedoch erst nachdem William mit massiven Anleihen eine eigene Brauerei (also John Smiths Brewery) direkt gegenüber hochgezogen und die alte Brauerei um ihre Marke und einen Großteil der Austattung erleichtert hatte. Samuel fing also quasi wieder von Neuem an, denn er sah sich zu seinem Unglück mit einer fast leeren Hülle konfrontiert.

Dorthin zu gelangen erwies sich allerdings bereits als kleines Abenteuer, denn abgesehen von klassisch kontinentalen Problemen wie der Umstellung auf Linksverkehr hatten wir uns ausgerechnet das bisher schneereichste Wochenende des englischen Winters für unseren Trip nach Yorkshire ausgesucht. Auf der Autobahn spielte das kaum eine Rolle, als uns aber unser Navi hinterhältiger Weise über zerklüftete Feldwege mit unter dem Schnee verborgenen Schlaglöchern schickte, sendeten wir doch das ein oder andere Stoßgebet mit dem Inhalt Möge niemand bei der Rückgabe dieses tiefliegenden Mietautos den Unterboden überprüfen! gen Himmel. Unser Ziel jedoch war die Mühen der Reise wert: Hazelwood Castle, ein Anwesen wie aus einem Bilderbuch für englische Schlosshotels geschnitten, malerisch eingeschneit, mit dem gemütlichen Schick des Landadels zwischen Ohrensesseln, kamingeheizten Leseräumen, Bars sowie warmen Zimmern mit sehr englischem Blumendekor und, sehr unenglisch, großen Betten.

Anschließend wurden wir in die Kellerkneipe geführt, wo sich sonst die Angestellten nach getaner Arbeit deren Früchte schmecken lassen. Schmecken ließen wir uns das Samuel Smith Best Bitter, wie es sich für englisches Ale gehört natürlich frisch aus dem Fass gezogen, in welchem es reifte. Der Feuereifer, mit dem Sam unsere Gläser bei leisester Androhung von Leere schnappte und nachfüllte, hatte schon fast etwas Entschuldigendes, denn leider waren keine der anderen Biere am Hahn. Dieses Problem umschifften wir gekonnt, indem wir nach gemütlicher Plauderei in die lokalen Pubs auswichen, in welchen es natürlich Samuel Smith zuhauf zu trinken gab, vom Pale Ale bis zum Chocolate Stout.

Unser Plan sah eigentlich vor, am nächsten Tag ausschließlich Nottingham unsicher zu machen, doch da hatten wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn was ein echter Smith ist, der kündigt Bierköstlichkeiten wie das Stingo nicht an und enthält sie so gespannten Gaumen wie den unseren dann vor. Also wurden wir erneut aufgelesen und ins südöstlich von Nottingham gelegene Stamford (gemeint ist weder das Dörfchen in Kent noch die Universitätsstadt, welche sich in Kalifornien befindet, sondern wirklich StaMford) chauffiert. Sam hatte sich Verstärkung in Form seines Vaters geholt: Brauereiinhaber Humphrey Richard Woollcombe Smith, 68 und in klassischem Tweedsakko, kam dem Urbild eines rüstigen, englischen Gentleman schon sehr nahe.
In Stamford erwartete uns mit der All Saints Brewery (vormals Melbourn Bros.) eine mindestens ebenso traditionsreiche Brauereianlage, die mittlerweile von Samuel Smith genutzt wird, um Fruchtbiere zu produzieren. Noch heute wird die Brauerei von einer Dampfmaschine befeuert, welche die teils seit 1825 unveränderten Gerätschaften antreibt. Hinzu kommen zahlreiche Mythen, wie der ungenutzte Gärtank, in welchem ein geheimes Gebräu vor sich hin fermentiert, angeblich nur Mr. Smith selbst bekannt (was dieser natürlich energisch bestritt ), oder der mysteriöse, aber wohl folgerichtige Todesfall eines betrunkenen Brauers im Sudkessel. Zur Atmosphäre trugen auch die kleinen Schatzkammern bei, wie das frühere Labor, voll mit unangetasteten Chemikalien und uralten Bierstatistiken, sowie Lager, in denen tatsächlich noch ungeöffnete Flaschen aus der Zeit der Melbourn Bros. zu finden waren - was deren Alter irgendwo zwischen 39 und 144 Jahren einstuft.

Dort ließen wir den Abend im Organ Grinder ausklingen, einem Pub der Blue Monkey Brewery, der mit interessanten Stilmixen und in Whiskyfässern gereiftem Stout aufzuwarten vermochte.
Den Abend ausklingen lassen? Sicher doch, nicht aber die Nacht! Denn bei einem Abflug gegen 6 Uhr in der Früh lohnt sich das Ins-Bett-Gehen nun wirklich nicht. So pilgerten wir noch zum Nottinghammer BrewDog-Pub und tauchten unsere Zungen tatsächlich in den berühmt-berüchtigten Tactical Nuclear Penguin mit läppischen 32 Umdrehungen. Wir blieben bis zum bitteren Ende, ergötzten uns an Mikeller und Port Brewing, crashten eine Geburtstagsparty und schmuggelten gutes Bier in einen schlechten Club. Doch das ist eine andere Geschichte