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Braukunst Live! – Die Stunde Null

„Im letzten Jahr haben wir gezeigt, dass so eine Veranstaltung möglich ist. Dieses Mal haben wir bewiesen, dass das keine Eintagsfliege war. Jetzt geht es richtig los!“

– Frank Böer, Veranstalter des Braukunst Live!-Festivals

Teku-KelchNach den drei Festivaltagen des letzten Jahres waren wir begeistert, euphorisch, mitgerissen (und todmüde). Für uns war die Veranstaltung ein Sammelpunkt all jener, die das Thema Craft Beer voranbringen wollen. Sie machte für uns greifbar, dass wir nicht allein in einem Ozean ausgelutschter Einheitsplörre gegen den Strom schwammen, sondern dass es andere gab und gibt, die wie wir das Thema Bier aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken suchen.

Doch auch wenn die Rückmeldungen seitens der Aussteller phantstisch waren, blieb ein Rest Unsicherheit. War es geglückt? Hatten die Aktiven das „Wir“-Gefühl nicht nur untereinander geteilt, sondern auch ans Publikum weitergegeben? Hatten sie es mit ihrer Begeisterung angesteckt und ermutigt, diese weiterzutragen? Würde das Interesse in diesem Jahr ausreichen, das Verlustgeschäft des letzten Jahres soweit auszugleichen, dass die Veranstaltung vom Überlebenskampf zu einem tragbaren Konzept aufsteigt?
Klare Antwort: Na und ob!

Austellerzahl verdoppelt, Besucherzahl verdoppelt, beeindruckte nationale wie internationale Gäste, volle Tastings, ein thematisch und vom Umfang her ausgeweitetes Bühnenprogramm… und einmal mehr dieses tolle Gefühl, Mitglied einer vor Tatendrang und Kreativität sprudelnden Bierszene zu sein.

Rui Esteves am Stand 3Also alles Friede, Freude, Eierkuchen?
Nein, denn natürlich gab es Kritikpunkte. Klangtechnische Probleme an der Bühne, ein eher dürftiges Austelleressen, hoffnungslos überforderte Putzkräfte im Sanitärbereich (das Braukunst Live dürfte eines der wenigen Festivals sein, wo die Schlange vorm Männerklo deutlich länger ist als die vor der Damentoilette). Glücklicherweise wurde hier meist schnell reagiert, so wurde z.B. ein Teil der Kosten für jenes Austelleressen als Signal für angenommene Kritik zurückerstattet.
Beim Personal muss gesagt werden, dass dieses durch den sprunghaften Anstieg der Besucherzahlen manchmal arg in die Bredouille geriet. In den Tastings und an der Bühne fühlten wir uns stets gut betreut, doch gerade zum Ende eines Veranstaltungstages merkte man, dass die Belastung Tribut forderte. Bier fördert Geselligkeit, und diese dann aufzulösen, kann sich als schwierig erweisen. Austeller kommen untereinander ins Gespräch, hartgesottene Gäste saugen sich an Ständen fest, und auch eine halbe Stunde nach offiziellem Ende werden höfliche Bitten, das Gelände zu verlassen, teils ignoriert. Verständlich, dass sich da die Geduld dem Ende neigt. Dennoch wurde hier hin und wieder ein rüder Ton angeschlagen, den wir aus dem Vorjahr nicht kannten. Freundlich, aber bestimmt – 2012 klappte das ausgezeichnet, in diesem Jahr „nur“ gut.
Auch die Trunkenheit der Gäste wird bei weiter wachsenden Besucherzahlen sicherlich zu einer Herausforderung werden. Anders als bei der Schwesterveranstaltung Finest Spirits sind es Bieraussteller nicht gewohnt, Verkostungsmengen auszuschenken, und so zapfen viele gern ein wenig mehr als die angesetzten 0,1l in die Gläser – und die Besucher beschweren sich natürlich nicht über Regelverstöße solch angenehmer Art. Hier liegt die Verantwortung bei uns Ausstellern. Wollen wir ein Festival, wo der Konsument nach Besuch nur eines Standes besoffen ist, oder wollen wir Biervielfalt und Genuss fördern? Antwort überflüssig.
All dies ist natürlich Meckerei auf sehr hohem Niveau. Doch zwei Grundsatzdiskussionen, die nichts mit Organisation und Verhalten zu tun haben, müssen noch zur Sprache kommen:

Robert Pazurek schenkt einBereits im Vorfeld kam es vereinzelt zu Auseinandersetzungen mit manchem, der dem Festival Wucher vorwarf. Solche Bedenken werden gerade von kleineren Brauereien geteilt, übersehen aber oftmals den Messecharakter des Festivals (tatsächlich haben sich „das“ und „die“ Braukunst inzwischen beide eingebürgert). Hierbei geht es weniger darum, die Standkosten mit Bierverkäufen sofort zu decken und dann Profit zu machen, sondern mehr darum, gesehen zu werden und im Nachhinein den gesteigerten Bekanntheitsgrad auszunutzen. Das dieser Plan durchaus aufgeht, geben z.B. Thomas „Hopfenstopfer“ Wachno, Thorsten Schoppe von Schoppe Bräu und Alexander Himburg vom BrauKunstKeller im Interview auf unserer Spezialseite zum sagenumwobenen Stand 3 des Baukunst Live! Festivals preis.

Des Weiteren geht es um die Eingliederung der „Großen“ ins Festivalgeschehen, insbesondere Paulaner (Brauerei am Eisberg), Radeberger (Braufactum) und neuerdings SAB Miller (Pilsner Urquell). Die gerade erst aufblühende Craft-Szene in Deutschland beäugt diese Entwicklung mit teils berechtigter Skepsis. Natürlich ist das Thema viel zu umfangreich, um es hier eingehend zu beleuchten. Dies soll an anderer Stelle geschehen. Es sei jedoch zumindest gesagt, dass die Problematik den Aktiven bekannt ist und auch auf dem Festival selbst offen diskutiert wurde.

Greg Koch: Prost!Zudem stieg die Zahl deutscher Kleinbrauereien, die qualitativ hochwertiges, mal traditionelles, mal innovatives (und oft genug beides) Craft Beer vorstellten, sprunghaft an. Andreas Seufert von PAX Bräu reiste beispielsweise nicht nur mit einem Sortiment an, das selbst den Sortenkönigen vom Brauhaus Riegele Konkurrenz machte, sondern legte sich auch beim „Speed Pitching“ auf der Bühne (eine Kurzvostellung, bei der jeder Kleinbrauer versucht, in einer Minute zu klären, warum sein Bier das Beste ist) aufwendig kostümiert ins Zeug.
Doch auch anderweitig waren dem sensorischen Entdeckerdrang kaum Grenzen gesetzt: Ob es die abgefahrenen Kreationen von Sebastian Sauer (Monarchy of Musselland) waren, der unter anderem Apfelholzrauch-Gose im Gepäck hatte, oder ob man bei der CrewAle Werkstatt die neu vorgestellten „Roundhouse Kick“ (Imperial Stout) und „Munich Summer“ (Summer Ale) probierte oder geballte Craft-Braukunst am berüchtigten „Stand Nr. 3“ verkostete - die Dichte und Qualität deutscher Craft-Beer-Erzeugnisse ist ebenso explodiert wie die Braukunst Live! selbst.

Was also meint der Veranstalter, wenn er sagt, jetzt sei die Stunde Null angebrochen? Es soll heißen, dass nun niemand mehr die Veranstaltung als solche in Frage stellen wird. Natürlich muss weiter an den Feinheiten gefeilt werden, aber Bier nicht als in Massen geschluckte Bitterbrause sondern als facettenreiches Genussmittel – das funktioniert! Ab jetzt stellt sich eigentlich nur noch eine Frage:

Seid ihr dabei?

Weitere Infos zum Braukunst Live! Festival 2013 findet ihr auf unserer Eventseite und im offiziellen Festivalvideo.