Frank Böer, Veranstalter des Braukunst Live!-Festivals

Doch auch wenn die Rückmeldungen seitens der Aussteller phantstisch waren, blieb ein Rest Unsicherheit. War es geglückt? Hatten die Aktiven das Wir-Gefühl nicht nur untereinander geteilt, sondern auch ans Publikum weitergegeben? Hatten sie es mit ihrer Begeisterung angesteckt und ermutigt, diese weiterzutragen? Würde das Interesse in diesem Jahr ausreichen, das Verlustgeschäft des letzten Jahres soweit auszugleichen, dass die Veranstaltung vom Überlebenskampf zu einem tragbaren Konzept aufsteigt?
Klare Antwort: Na und ob!
Austellerzahl verdoppelt, Besucherzahl verdoppelt, beeindruckte nationale wie internationale Gäste, volle Tastings, ein thematisch und vom Umfang her ausgeweitetes Bühnenprogramm und einmal mehr dieses tolle Gefühl, Mitglied einer vor Tatendrang und Kreativität sprudelnden Bierszene zu sein.

Nein, denn natürlich gab es Kritikpunkte. Klangtechnische Probleme an der Bühne, ein eher dürftiges Austelleressen, hoffnungslos überforderte Putzkräfte im Sanitärbereich (das Braukunst Live dürfte eines der wenigen Festivals sein, wo die Schlange vorm Männerklo deutlich länger ist als die vor der Damentoilette). Glücklicherweise wurde hier meist schnell reagiert, so wurde z.B. ein Teil der Kosten für jenes Austelleressen als Signal für angenommene Kritik zurückerstattet.
Beim Personal muss gesagt werden, dass dieses durch den sprunghaften Anstieg der Besucherzahlen manchmal arg in die Bredouille geriet. In den Tastings und an der Bühne fühlten wir uns stets gut betreut, doch gerade zum Ende eines Veranstaltungstages merkte man, dass die Belastung Tribut forderte. Bier fördert Geselligkeit, und diese dann aufzulösen, kann sich als schwierig erweisen. Austeller kommen untereinander ins Gespräch, hartgesottene Gäste saugen sich an Ständen fest, und auch eine halbe Stunde nach offiziellem Ende werden höfliche Bitten, das Gelände zu verlassen, teils ignoriert. Verständlich, dass sich da die Geduld dem Ende neigt. Dennoch wurde hier hin und wieder ein rüder Ton angeschlagen, den wir aus dem Vorjahr nicht kannten. Freundlich, aber bestimmt 2012 klappte das ausgezeichnet, in diesem Jahr nur gut.
Auch die Trunkenheit der Gäste wird bei weiter wachsenden Besucherzahlen sicherlich zu einer Herausforderung werden. Anders als bei der Schwesterveranstaltung Finest Spirits sind es Bieraussteller nicht gewohnt, Verkostungsmengen auszuschenken, und so zapfen viele gern ein wenig mehr als die angesetzten 0,1l in die Gläser und die Besucher beschweren sich natürlich nicht über Regelverstöße solch angenehmer Art. Hier liegt die Verantwortung bei uns Ausstellern. Wollen wir ein Festival, wo der Konsument nach Besuch nur eines Standes besoffen ist, oder wollen wir Biervielfalt und Genuss fördern? Antwort überflüssig.
All dies ist natürlich Meckerei auf sehr hohem Niveau. Doch zwei Grundsatzdiskussionen, die nichts mit Organisation und Verhalten zu tun haben, müssen noch zur Sprache kommen:

Des Weiteren geht es um die Eingliederung der Großen ins Festivalgeschehen, insbesondere Paulaner (Brauerei am Eisberg), Radeberger (Braufactum) und neuerdings SAB Miller (Pilsner Urquell). Die gerade erst aufblühende Craft-Szene in Deutschland beäugt diese Entwicklung mit teils berechtigter Skepsis. Natürlich ist das Thema viel zu umfangreich, um es hier eingehend zu beleuchten. Dies soll an anderer Stelle geschehen. Es sei jedoch zumindest gesagt, dass die Problematik den Aktiven bekannt ist und auch auf dem Festival selbst offen diskutiert wurde.

Doch auch anderweitig waren dem sensorischen Entdeckerdrang kaum Grenzen gesetzt: Ob es die abgefahrenen Kreationen von Sebastian Sauer (Monarchy of Musselland) waren, der unter anderem Apfelholzrauch-Gose im Gepäck hatte, oder ob man bei der CrewAle Werkstatt die neu vorgestellten Roundhouse Kick (Imperial Stout) und Munich Summer (Summer Ale) probierte oder geballte Craft-Braukunst am berüchtigten Stand Nr. 3 verkostete - die Dichte und Qualität deutscher Craft-Beer-Erzeugnisse ist ebenso explodiert wie die Braukunst Live! selbst.
Was also meint der Veranstalter, wenn er sagt, jetzt sei die Stunde Null angebrochen? Es soll heißen, dass nun niemand mehr die Veranstaltung als solche in Frage stellen wird. Natürlich muss weiter an den Feinheiten gefeilt werden, aber Bier nicht als in Massen geschluckte Bitterbrause sondern als facettenreiches Genussmittel das funktioniert! Ab jetzt stellt sich eigentlich nur noch eine Frage:
Seid ihr dabei?
Weitere Infos zum Braukunst Live! Festival 2013 findet ihr auf unserer Eventseite und im offiziellen Festivalvideo.