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Jury des 3. Internationalen Brauwettbewerbs Ein kleines Plakat an einem Bauzaun, ein Pfeil nach links, ein Schotterweg auf das Baustellengelände ehemaliger Viehställe…

Nicht die Kulisse, die man sich für den „3rd International Brewing Contest“ vorstellt?

Dann ändern wir doch einfach den Blickwinkel:
Direkt im Hamburger Schanzenviertel, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Tim Mälzers „Bullerei“, umgeben von denkmalgeschützten Gebäuden, in denen sich unlängst die Ratsherrn-Brauerei eingerichtet hat, trafen sich 11 studentische Brauerteams, um in lockerer Runde das Beste unter Gleichen zu bestimmen.

Im Vergleich zum Vorjahr, wo der studentische Brauwettbewerb auf dem Berliner Messegelände ICC stattfand, kehrte man in diesem Jahr nicht nur nach Hamburg, sondern auch einen bedachten Schritt zu den Wurzeln zurück:

Statt einer weitläufigen, aber sterilen Messehalle diesmal ein kleiner, aber gemütlicher Saal mit Holzfußboden. Statt 18 Teams nur 11 Teilnehmer aus Deutschland und Österreich. Statt Fußnote beim „1st European Congress of Applied Biotechnology“ diesmal Premierenveranstaltung auf dem Gelände einer wiederbelebten Traditionsbrauerei.

Das erklärte Ziel des Organisators, der Campusperle von der Technischen Universität Hamburg-Harburg: Junge, kreative Leute mit Leidenschaft für gutes Bier zusammenbringen. Austausch und Spaß stehen klar im Vordergrund, der Wettbewerbsgedanke dient eher der Motivation denn einer eindeutigen Unterteilung in Gewinner und Verlierer.

Stahltanks der Ratsherrn-Brauerei So sind auch einige der verliehenen Preise eindeutig als Belohnung für die Teilnahme gedacht, schließlich kommen alle Teams für Reise und Transport selbst auf:
Höchster Alkoholgehalt, höchste Stammwürze, höchste Bitterkeit in IBU und natürlich „beste Stimmung“ wurden ausgezeichnet, ein Preis, der im Stechen an die Titelverteidiger aus Hannover ging, obwohl wir eher die Strahlemänner aus Braunschweig vorn gesehen hatten.

Bevor man sich allerdings die zahlreichen Versuchssude zu Gemüte führen konnte, stand zunächst eine Führung durch die frisch gebaute Anlage von Ratsherrn auf dem Programm. Zwischen wuchtigen Gärtanks und Labyrinthen stählern glänzender Leitungssysteme, Myriaden von Rohren und Ventilen, kam man sich vor wie in einem Science-Fiction U-Boot aus einem Jules-Verne-Roman… Namensvorschlag „Die Brautilus“, wie wär’s? Die ersten Erzeugnisse dieser Anlange waren bereits am Hahn und wussten zu überzeugen: Rotbier, Pale Ale, Pilsener und das in Flaschen vorhandene „Reeperbahn Festival Beer“ (ebenfalls ein Pale Ale) brauchten sich vor den Wettbewerbsteilnehmern nicht zu verstecken und wurden vorm Veranstaltungssaal eifrig in die Gläser der Durstigen gezapft.

Jury-Beratung Nun wurde die Jury vorgestellt: neben dem Ratsherrn-Braumeister selbst, Thomas Kunst, waren mit Ralf Gebhart (Gröninger Braumeister) und Martin Stein (Leitung Production Director Carlsberg Deutschland GmbH) brautechnisch bewanderte Leute ins Boot geholt worden.

Es ist natürlich eine bodenlose Frechheit, dass der Bier-Index trotz Anwesenheit nicht umgehend einen Ehrenjuryplatz zugesprochen bekam. Hier kann man gar nicht genug scharfe Kritik am Feingefühl von Lars Fischer und seinem sonst untadeligen Organisatorenteam üben. Wir können da nur den Kopf schütteln und darauf vertrauen, dass dieser Missstand im nächsten Jahr der Vergangenheit angehört!
Im Kern der Veranstaltung stand aber natürlich das Bier, und da hatten wir allen Grund zur Euphorie: Die Kreativität und der Mut der studentischen Brauer ist sogar noch gestiegen, ebenso wie die Qualität ihrer Erzeugnisse!

Team der TU Braunschweig / Wilhelmbräu mit dem Atompils Es gehört Mumm dazu, der Jury ein Bier aus aufbereitetem Reaktorwasser zu präsentieren und nirgends eindeutig zu sagen, dass dies unbedenklich ist (Atompils der TU Braunschweig/Carl-Wilhelmsbräu, Zitat: „Es bleibt nahezu reines Wasser zurück…“). Ebenso ist es riskant, drei Brauern, die nach Reinheitsgebot arbeiten, ein Oyster Stout mit in der Maische gekochten Austern (ein altes, irisches Rezept), Kaffee und Kakao vorzusetzen (beer4Wedding, Berlin), oder einen Stilmix aus dunklem Hefeweizen und Altbier zu probieren (Erwins Beste Flasche Altes Weizen, Uni Bielefeld). Oder ein mit Eichenholzchips aromatisiertes Bier (Vanilla Hop, Bremen), oder ein an belgische Geuze angelegtes Ale samt mitvergorenem Trauben- und Johannisbeersaft (Ale-licious, Hochschule Ostwestfahlen-Lippe, Lemgo).

Während die Jury anschließend beriet, bewies Mitveranstalter Ratsherrn, dass auch einfache Speisen ganz fantastisch schmecken können: Rostbratwurst im Brötchen, mehr gab’s nicht. Wenn diese aber dank großartiger Fleischqualität und hervorragender Soßen aus der Bullerei (die auch die Grillmeister stellte) so gut schmeckt, dass manch einer schon zum vierten Mal anstand, bevor der Bier-Index auch nur eine Wurst in der Hand hatte, spricht das Bände.

Während wir wehmütig auf unsere Würste warteten, wurden wir gefragt, welche Biere denn der Bier-Index vorn sehen würde. Und wer hätte es für möglich gehalten? Genau die drei genannten Biere wurden in der anschließenden Preisverleihung ausgezeichnet. Als da wären:

Platz 3:

Das eher braune, noch namenlose Schwarzbier der „East Western Brewing Company“, Rhein-Waal Hochschule.

Für das internationale Team kam der Erfolg total überraschend. Tatsächlich hatten sie zum ersten Mal gebraut und gerade einmal vier Liter Bier mitgebracht. Wir hoffen inständig, dass sie ihr Produkt reproduzieren können, denn Jury und Bier-Index waren sich einig: Ein Bier wie aus dem Lehrbuch für gelungene Röstmalzaromen, Bitterschokolade in flüssiger Form.

Platz 2:

Das Oyster Stout von „beer4Wedding“ aus Berlin.

Ihre Silbermedaille konnten die Studenten aus dem Bezirk Wedding also verteidigen, verdient und sehr zu unserer Freude. Das kräftig-röstige Stout überzeugte mit einem ungemein dichten Körper und einer hin und her wogenden Aromatik zwischen Kaffee und Kakao.

Platz 1:

Gewinner des 3. Internationalen Brauwettbewerbs Es war nicht nur das erste Bier, das der Jury präsentiert wurde, es hatte auch am Ende die Nase vorn: der Wiener Sommer von „Freibier“, Universität für Bodenkultur Wien. Dieses phänomenal frische und dennoch sehr aromatische Bier begeisterte durch Stimmigkeit, samtige Leichtigkeit und einen Korb tropischer Früchte, wie man ihn bei einem untergärigen Bier nur schwer findet. Glückwunsch!

Doch auch wenn wir mit der Wahl der Jury durchaus übereinstimmen, die Begründungen für Platz 1 und 3 müssen wir kritisieren: Zunächst hieß es in Richtung „East-Western Brewing“, es wäre womöglich noch weiter nach Oben gegangen, hätte man das Bier nicht als Schwarzbier, sondern als Dunkler Bock oder Braunbier bezeichnet. Dann folgte bei der Siegerehrung fast schon berechenbar die Aussage, dass der Wiener Sommer genau das erfüllte, was angekündigt worden war.

Was hat die korrekte Ankündigung der Biersorte mit dem Geschmack zu tun? Muss man das tolle Produkt völlig unerfahrener Brauer tatsächlich schlechter einstufen, nur weil ihnen die Kompetenz fehlt, ihr Bier getreu dem heiligen Katalog der Bierstile richtig zu benennen? Wird ein Bier besser, weil es die Erwartungshaltung eingefleischter Brauer an einen bestimmten Stil erfüllt? In diesem Fall tritt der Bier-Index im nächsten Jahr mit „PlörrBräu Billigstes Bitterpils (Premium Jubiläum)“ an und erwartet durchschlagenden Erfolg dank ausgezeichneter Stiltreue.

Das ist natürlich überspitzt, doch Ralf Gebharts wiederholte Frage, ob denn das verkostete Bier nach dem Reinheitsgebot gebraut sei, wurde schon nach kurzer Zeit zum Running Gag. Verständlich, denn wozu holt man sich kreative, junge Leute zusammen? Um dann Schema F zu belohnen, oder um Einfallsreichtum und das Blicken über den Tellerrand zu fördern?

Unser Eindruck: Letztlich hat die Jury so entschieden, wie es sich gehört – nach dem Geschmack. Nur bei der Begründung, warum nun ein tolles Bier besser sei als ein anderes, tolles Bier, tat man sich so schwer, dass man letztlich eher unwichtige Kriterien zu Rate zog. Um an dieser Stelle etwas Verständnis zu zeigen: Es war auch unglaublich schwierig, also einen kräftigen Klapps auf die Schulter für alle Teilnehmer, die es der Jury so schwer machten und unter teils widrigen Bedingungen fantastisches Bier ablieferten:
Bei „Erwins Beste Flasche“ zerlegte es die Braueule (ein Kondolenzbuch lag aus und wurde mit der lebhaften Poesie berauschter Studenten gefüllt), bei den Erstjahressiegern von „Röthelheim“, Erlangen, trafen die Rohstoffe nicht rechtzeitig ein und man musste sich mit einem immer noch sehr guten „Aushilfssud“ begnügen, der dem Siegerbier ähnelte und nur durch eine geringere Ausprägung der Aromen abfiel. Und Malte Feldmann von „Black Hops“ hatte sein Fass mit dem unerhört weichen, malzigen Rotling per Mitfahrgelegenheit auf den langen Weg von Wien nach Hamburg geschickt.

Wirklich schade war, dass einige Teams nicht lange bleiben konnten. Als wir Thomas Kunst zum Interview baten (Unser unterhaltsames Gespräch könnt ihr in Kürze hier nachlesen.) verabschiedeten sich bereits ein paar Jungbrauer und konnten so die anschließende, feucht-fröhliche Feierei nicht mehr miterleben: Während Fotos vom Wettbewerb über die Saalwand flimmerten und knackige Mucke aus den Boxen dröhnte, wurden letzte Reste der Teilnehmerbiere vernichtet, und auch die Campusperle, als Organisator natürlich nicht im Wettbewerb, konnte nun endlich zeigen, was die Hamburger Studenten so alles fabrizieren können.

So flehte Juror Gebhart zum Abschluss der Veranstaltung völlig zurecht zur versammelten, studentischen Braukunst:
„Was immer ihr studiert...werdet Brauer!“

Bei unserem langen Marsch zurück zum Hotel (An sich war es nicht weit, wir machten bewusst einen sehr großen Umweg durch das Schanzenviertel…) gab es für uns eigentlich nur zwei Wermutstropfen:
Dass wir viele der bemerkenswerten Biere dieses Abends niemals wiedersehen würden, und dass wir zum Schlafen ins „Hotel Figaro“ zurück mussten. Wenn das, worin wir da übernachtet haben, ein Hotel-Doppelzimmer war, dann hat Schultheiss gerade den Brauwettbewerb gewonnen…

Den Brauwettbewerb aus Sicht von Sebastian von beer4Wedding findet Ihr auf Lieblingsbier.de. Am besten gleich ein gutes Bier schnappen und reinlesen.