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Wozu brauchen wir eigentlich eine Definition für Craft Beer?

Schenkt kein Bier ein, das noch gar nicht gebraut wurde

„Was ist Craft Beer?“ diese Frage stellte sich nicht nur Jörg Meyer kürzlich auf seinem Blog. Es gibt diverse Anstrengungen aus verschiedenen Richtungen eine allgemeingültige Definition zu finden.
Ein weiteres Zeichen dafür, dass das Thema Bier sich neuerdings gesteigerter Aufmerksamkeit erfreut. Zudem eine Frage, mit der wir uns in der Redaktion des Bier-Index schon eine geraume Weile beschäftigen.

Podiumsdiskussion auf dem Brau Kunst Live! Festival 2013: v.l.n.r Greg Koch (Co- Founder & CEO, Stone Brewing Co.), Eric Toft (Braumeister, Private Landbrauerei Schönram), Eddie Szweda (Inhaber, Midtfyns Bryghus), Mike Morris (Export Manager, St. Austell)Erste Erklärungsansätze lieferten wir im Februar 2012 und unterhielten uns dazu auf der Bühne des diesjährigen Braukunst Live! Festivals mit hochkarätigen Fachgästen und dem Publikum.

International wird bereits eine ganz andere Frage gestellt: „Is anyone still interested in a definition of craft beer?“ also: „Interessiert sich eigentlich noch jemand für die Definition von Craft Beer?“ titelte im April Pete Brown in einem Blogpost. Die Frage impliziert die Antwort und auch wir sind mittlerweile davon abgerückt, eine technische Definition aufstellen zu wollen, da solche Definitionen in einem allgemeingültigen Kontext wie „Alle Brauereien dieser Welt“ gleichzeitig zu restriktiv und zu weitläufig sind.

Schauen wir uns beispielsweise die Definition der Amerikanischen Brewers Association genauer an, die in letzter Zeit derart häufig zitiert wird, dass man meinen könnte, die Amis wären bereits gelandet.

Eric Ottaway (Brooklyn Brewery) und James Watt (BrewDog) mit Dead Pony Club, Punk IPA und Amarsi IPAUnter anderem wird gefordert, die Brauerei möge klein sein. Das bedeutet im diesem Falle eine jährlicher Bierproduktion von nicht mehr als 6.000.000 US-Barrel, also etwas über 7.000.000 Hektoliter. Diese Grenze könnte nur die Oettinger Brauerei knapp erreichen. Radeberger, AB-InBev und Bitburger liegen lediglich als Brauereigruppen mit all ihren verschiedenen Produktionsstätten in diesem Bereich.
Im übrigen wurde die Grenze 2011 in den USA von damals 2.000.000 US-Barrel auf den jetzigen Stand angehoben, um auch die Boston Beer Company, einem der Pioniere der Bewegung, noch als Craft Brewery auszeichnen zu können.
Natürlich lässt sich die Größe anpassen, aber es wird schon an diesem Punkt deutlich, dass die Marktstrukturen von Land zu Land derart unterschiedlich sind, dass es einer Menge Aufwand, Marktkenntnis und Recherche bedarf um eine Definition aufzustellen, mit der letztlich immer noch nicht alle zufrieden sind.

Es stellt sich also die Frage: Wozu brauchen wir denn eine Definition und ist der Effekt die Anstrengung wert?

Kurz zurück in die USA:
Die Brewers Association ist ein Industrieverband, bei dem man für eine festgelegte Gebühr Mitglied werden kann. Die BA verschafft ihren Mitgliedern dann diverse Vorteile, angefangen bei Literatur, bis hin zu Ermäßigungen und Unterstützung und betreibt allgemeine Lobbyarbeit.
Für eine derartige Organisation ist eine Definition von Craft Beer unerlässlich, um die Kommunikation zu vereinfachen und die eigenen Mitglieder zu stärken, indem sich alle Aktionen zu einem gemeinsamen Ziel bündeln.

In Deutschland gibt es bereits Organisationen mit einem ähnlichen Hintergrund. Die Freien Brauer sind ein Verbund deutscher Brauereien, die die Stellung von mittelständischen Brauereien gegenüber den bestimmenden Industriegrößen stärken wollen.

Es ist also völlig klar, das für derartige Ziele eine Mitgliederdefinition her muss, damit klare Richtlinien für Annahme und Ablehnung von Bewerbern existieren um die politischen Querelen innerhalb des Verbandes zu begrenzen.
Dazu müssen aber erstmal Verbände und Mitglieder existieren. First come, first served - Wer jetzt die Ambitionen hat, eine deutsche Kraft-Bier-Vereinigung zu gründen, schreibt die Regeln zur Teilnahme…

In Deutschland geht der Schrei nach einer Definition zum Großteil von einer Konsumentenschicht aus, die sich selbst in der Biernerdnische bewegt. Die Grundlage ist die Furcht vor dem Missbrauch eines Begriffs, den der Großteil der deutschen Konsumenten noch nie gehört hat.
Ich selbst benutze den Begriff Craft Beer mittlerweile hauptsächlich im Marketingkontext oder zur vereinfachten Kommunikation. Spreche ich mit Menschen über Bier, die noch völlig unbeleckt sind, bleibe ich eher bei „aromatisch interessantem“ oder einfach „gutem“ Bier. Habe ich jemanden vor mir von dem ich weiß, dass er ungefähr meinen Bierwissensstand und meine Ansichten teilt, bleibe ich der Einfachheit halber bei Craft Beer. Möchte ich bei jemanden Interesse wecken, der sich professionell mit dem Thema beschäftigt, streue ich den Begriff meist als „Earcatcher“ ein um zu zeigen, dass das ich etwas anderes meine als die billigen Supermarktbiere nach dem Motto „könnte Spuren von Hopfen und Malz enthalten“.
Definition in allen Fällen unnötig.

Knieende Nonne opfert Industriebier vor einem BrewDog-Altar

Greifen wir den Fall des erfolgreichen Barbetreibers wieder auf, der für sein Etablissement die passenden Produkte sucht. Hier sind die Anforderungen sicher so unterschiedlich, wie die Kombinationsmöglichkeiten von Gin und Tonic. Lokal, regional, international? Wie viel Wert wird auf Aroma und wie viel auf die Menschen im Hintergrund gelegt? Wie viel auf den Preis?
Ein „Craft“-Siegel ist sicherlich eine bequeme Alternative dazu sich mit den Produkten und Produzenten zu beschäftigen, aber ist es wirklich sinnvoll an dieser Stelle blind einem Komitee zu vertrauen?
„Bio“ hat einen ähnlichen Effekt und ist ein mittlerweile geldschwangerer Sektor, der immer undurchsichtiger wird.
Und heißt klein und craft dann auch gleich gut und nett? Und groß und crafty dann gleich schlecht und böse?
Finden wir dann auch bald die Forderung nach Craft-Tonic? Wo reihen sich dann Thomas Henry und Fever Tree ein? Immerhin findet man diese gut erhältlichen und dennoch hochwertigen Produkte in vielen Bars. Ach vielleicht lassen wir das mit der Craft-Drink-Definition dann doch lieber.

Wollen wir wirklich wissen was ein Produkt uns zu bieten hat, müssen wir es trinken. Wollen wir wirklich wissen was hinter einem Produzenten steckt, müssen wir ihn kennenlernen und selbst fragen.

„Craft Beer“ ist ein toller Marketingbegriff und in der Lage eine junge Konsumentengeneration neugierig zu machen und sich mit einem neuen Produkt auseinanderzusetzen.
Der Rest ist Handarbeit. Das ist gut, denn in meinen Augen fließt gerade viel Energie in Detailverliebtheit, die, in handfeste Projekte investiert, etwas auf den Weg bringen könnte.

Wollte ich provozieren, würde ich sagen: Craft Breweries sind Brauereien, die es geschafft haben ihren Konsumenten zu verkaufen, dass sie Craft Beer verkaufen.
Aber ich will natürlich nicht provozieren…

weiterführende Links
„Was ist eigentlich Craft Beer?“ (Artikel von Februar 2012)
Programm des Braukunst Live! Festivals 2013
Pete Browns Blog
„Die Biere der BOILERMAN BAR. Was ist Craft Beer? Ist Ratsherrn wirklich Craft Beer?“
Kommentar von Peter Eichhorn bei Mixology.eu

Quellen
Branchenbericht Brauwirtschaft 2012
Brewers Association
Anhebung der Größenbeschränkung für Craft Breweries
Die freien Brauer